Mit Menschen vor Ort in Dialog treten


Visitation als Erkundung vielfältiger Lebensrealitäten

Wiesbanden - Der Himmel meinte es gut mit uns und so konnte die sozialräumliche Radtour am 12. Juni unter Beteiligung von Bischof Georg Bätzing und 38 Teilnehmerinnen und Teilnehmern wie geplant durchgeführt werden. Erst zwei Tage zuvor erreichte Wiesbaden die notwendige „Lockerungsstufe 2“ der Pandemie, die das soziale Leben der vergangenen 15 Monate so stark eingeschränkt hatte. Somit war es auch ein sozialer Neustart für die Wiesbadener Stadtgesellschaft.
Ziel der Radtour war es, die starken sozialen Unterschiede in der Sozialstruktur der westlichen Stadtteile Wiesbadens und damit der Pfarrei St. Peter und Paul den Teilnehmenden bewusst zu machen. Dabei wurden Projekte und Orte vorgestellt, die exemplarisch für eine bessere soziale und ökonomische Zukunft aller Menschen stehen.
In Schierstein wurden zwei einfache Projekte vorgestellt, die auch an anderen Orten leicht umsetzbar wären: Das Rikschaprojekt der EVIM, und die Bedeutung lokaler Ökonomie für den Stadtteil. Im Gespräch mit Andreas Dieterle der Buchhandlung „Buchecke“ wurde deutlich: Wir Verbraucherinnen und Verbraucher stärken oder schwächen die lokale Ökonomie, je nachdem wie und wo wir unsere Gebrauchsgüter, z. B. Bücher, kaufen. Wir bestimmen damit auch die räumliche Gestalt von Innenstädten oder Stadtteilen.
Beim Rikschaprojekt zeigte uns Rita Löhr, die sich im Projekt ehrenamtlich engagiert, wie es gehen kann, ältere Menschen aus einem Altenheim der EVIM, die nicht mehr gut zu Fuß sind, mit einer Rikscha durch den Stadtteil zu fahren. Dabei eröffnet sich ihnen eine neue räumliche Perspektive und gleichzeitig wird ihnen eine willkommene Abwechslung in ihrem Alltag ermöglicht. Das Projekt zeigt, wie leicht es ist, Menschen glücklich zu machen und wie gering der Aufwand dafür ist. Eine Rollstuhlrikscha, vorgestellt von Herrn Weitz, eröffnet gerade Menschen mit starken Einschränkungen , eine ganz neue Freiheit.
Mit dem Fahrrad ging dann für die Teilnehmenden der Rundfahrt weiter zum Stadtteil Gräselberg, der mit seinen 6.000 Einwohnern einer der vier Wiesbadener Standorte des Bund-Länder-Programms Sozialer Zusammenhalt ist. Durch das Programm werden benachteiligte Stadtteile mit städtebaulichen Investitionsmitteln gefördert und Bewohnerinnen und Bewohner durch Soziale Arbeit wie ein Quartiersmanagement und Gemeinwesenarbeit unterstützt. Insbesondere durch Partizipation werden Menschen in ihren Anliegen und Bedürfnissen ernst genommen und an Gestaltungsprozessen aktiv beteiligt. Auf dem Gräselberg konnten die Teilnehmenden im Rahmen eines Rundgangs den Stadtteil zunächst selbst entdecken. Um die Eindrücke festzuhalten machten alle Fotos, eine sogenannte Autofotografie. Der Austausch zu den eignen Eindrücken war der Auftakt zu einem intensiven Gespräch mit der Quartiersmanagerin Angelika Wust, die ihre Arbeit im Stadtteil vorstellte.
In der anschließenden Talkrunde „Wie geht Sozialer Zusammenhalt?“ unter Beteiligung lokaler Akteure und Bewohner, Bischof Georg Bätzing und Sozialdezernent Christoph Manjura ging es um aktuelle Probleme im Sozialraum und die Frage, was Verantwortliche gegen die zunehmende soziale Spaltung innerhalb der Stadt tun können. Denn Wiesbaden wird immer stärker zu einer Stadt sozialer Gegensätze. Eine Stadt in der Arme und Reiche direkt neben einander leben und in der dieser Gegensatz zu einer zunehmend größeren Herausforderung wird, auch für die beiden großen Kirchen. Um diesen Herausforderungen begegnen zu können, ist es enorm wichtig, die eigene Stadt und ihre Stadteile sozialräumlich zu erkunden, Zustände kritisch zu hinterfragen und mit den Menschen vor Ort in einen echten Dialog zu treten, um gemeinsame Lösungen für eine lebenswerte Zukunft zu entwickeln.
Susanne Hering & Marcus Krüger
