Charisma des Ortes
Die Auswertung der Bistumsexkursionen hat zentrale Themen und Haltungen für die Kirchenentwicklung im Bistum Limburg identifiziert. Ein wichtiger Perspektivwechsel ist die Ausrichtung von Kirche auf den Sozialraum. An verschiedenen Exkursionsorten im städtischen wie im ländlichen Raum, zeigt sich, dass Kirche ihre Identität und Relevanz dort findet, wo sie sich auf den Umgebungsraum bezieht und von externen Bedarfen her aufstellt. Das gilt für Pfarreien wie kategoriale Orte gleichermaßen.
Instrumente der Sozialraumerkundung geben Anstoss den Raum neu zu entdecken und mit den Menschen vor Ort zu fragen, was die Sendung von Kirche zum Wohl der Stadt oder des ländlichen Raumes sein kann. Lassen Sie sich inspirieren von den Praxisprojekten und den dabei erprobten Instrumenten. Nutzen Sie die Kontaktangebote und holen Sie sich wertvolle Tipps für eigene Schritte vor Ort.
Stadtteilrundfahrt und Autofotographie - Grundlagen

Die Idee Stadtteilbegehungen als Methode zur Erkundung von Lebenswelten zu nutzen geht auf Norbert Ortmann (1999) zurück. Eine Stadtteilbegehung sammelt keine repräsentativen empirischen Daten, sondern zielt darauf, Betroffenheiten und Themen der Menschen im Stadtteil aufzudecken. Es geht darum ein Gespür für Sorgen und Nöte der Menschen vor Ort zu entwickeln, um mit ihnen zu überlegen, wie das Leben an diesem konkreten Ort verbessert werden kann.
Bei der Stadtteilbegehung handelt es sich im weitesten Sinne um eine Form der teilnehmenden Beobachtung. Die Methode wird so angepasst, dass Adressat*innen mit ihren Ausdrucksmöglichkeiten ihren Lebensraum beschreiben können. Die Wahrnehmung der räumlichen Umwelt wird von verschiedenen Gruppen und Individuen sehr unterschiedlich sein. Mit Stadtteilbegehungen kann aufgedeckt werden, wie ein und derselbe Ort von verschiedenen Menschen unterschiedlich wahrgenommen wird. Deshalb ist es wichtig, dieselbe Route mit verschiedenen Adressat*innen zu begehen und sie zu bitten, ihre Ortswahrnehmungen zu dokumentieren und zu kommentieren.
Die Begehung kann als Spaziergang oder Rundfahrt angelegt sein. Auch die Form wird sich an den Adressat*innen orientieren. Gleiches gilt für die Dokumentation, die fotografisch oder in einer anderen künstlerischen Weise erfolgen kann. (Fotos, Kollagen, Karte von sozialen Orten, Pinwände, …)
https://www.sozialraum.de/form-follows-function.php
Beim Stadtteilrundgang geht es zuallererst darum, dass ich mir den Raum um mich herum aneigne.
Marcus Krüger, Wiesbaden St. Peter und Paul
Eine sozialräumliche Stadtteilrundfahrt - Praxisprojekt 2018

St. Peter und Paul ist seit 2013 eine Pfarrei neuen Typs mit 9 Kirchorten und einem Anteil der Katholikinnen und Katholiken: 19 % (ca. 17.000 Gläubigen). Nirgendwo in Wiesbaden sind die sozialen Unterschiede größer als im Wiesbadener Westen. Daraus resultieren unterschiedliche Lebensstile und Sozialräume. Um ein Bild des Sozialraums zu gewinnen initiierten Engagierte vor Ort eine sozialräumliche Rundfahrt 2018.
Ziele der Rundfahrt waren eine Sensibilität für Sozialräume zu entwickeln, eine eigene Erfahrung zum Thema „Sozialraum“ zu ermöglichen, andere (fremde) Lebenswelten wahrzunehmen, den Austausch zwischen den Kirchorten zu fördern, die Diversität der unterschiedlichen Räume und Lebensstile als Chance zu begreifen, Soziales Engagement/ Solidarität zu stärken und Perspektiven für eine (Lokale) Kirchenentwicklung im Kontext sozialräumlicher Betrachtung zu entwickeln. Aufgrund der Ausdehnung und Wegstrecken fiel die Entscheidung für eine Erkundung im Bus.
Stationen dieser Rundfahrt waren
- Das Nachbarschaftshaus Biebrich (Mehrgenerationenhaus, die Kolping-Speisekammer St. Marien, Biebrich)
- der Caritas Bauhof (ehem. Quartiersmanagement Biebrich SüdOst und Standort der Gemeinwesenarbeit),
- das KBS Kinder- und Beratungszentrum Wiesbaden-Sauerland, Ev. Erlösergemeinde
- das Repaircafé der „Schiersteiner Brücke“ Nachbarschaftshilfe in den Räumen der Ev. Auferstehungsgemeinde
- die Seelsorge der JVA (Justizvollzugsanstalt) Holzstraße
- die Stadtteilarbeit am Kirchort St. Klara, Wiesbaden-Klarenthal
- ein Geistlicher Impuls in der Kapelle in Wiesbaden-Frauenstein
- eine Straußwirtschaft zum Beisammensein und Austausch
Zu den Gelingensfaktoren für die Entdeckung des Sozialraumes zählen die VeranstalterInnen das Einnehmen einer Beobachterrolle (ethnografische Haltung mit sozialräumlicher Perspektive) und die Varianten der Erkundung für verschiedene Adressantengruppen. Kinder stellen ihren Sozialraum aus ihrer Perspektive vor (Spielplätze, Treffpunkte), Erwachsene präsentieren ihr Quartier (Leben, Arbeiten, öffentliche Orte). Der gemeinsame Austausch, die Diskussion in Kleingruppen und die Präsentation der Erfahrungen und Eindrücke aus unterschiedlichen Perspektiven lässt ein buntes Bild des Raumes entstehen, in dem Kirche ihre Sendung zum ‚Wohl der Stadt‘ entdecken kann.
Kontaktperson
Für Nachfragen, Tipps zum Praxisprojekt steht Ihnen Marcus Krüger in St. Peter und Paul gerne zur Verfügung. MarcusKrueger1967@ gmail .com